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08
März
2011

Verbreitung von Drachenmythen

Frühe Naturwissenschaft

Eine Synthese antiker und christlicher Traditionen ist in den Ansichten der mittelalterlichen Gelehrten über den Drachen zu beobachten. Bereits Plinius der Ältere schrieb Teilen des Drachenkörpers eine medizinische Wirkung zu, Solinus, Isidor, Cassiodor und andere ordneten die Bestie in das Tierreich ein. Die mittelalterlichen Naturforscher waren, angesichts der Fülle biblischer Belegstellen, erst recht von der realen Existenz der Untiere überzeugt. „Mit Ausnahme seines Fettes ist nichts von seinem Fleische und den Knochen für Heilzwecke verwendbar …“, schrieb Hildegard von Bingen in ihrer Naturlehre. Von Drachen wurde geglaubt, dass sie etwa aus den Leibern erschlagener Menschen auf Schlachtfeldern entstehend konnten, ähnlich wie etwa Maden aus Tierkadavern „entstehen“.[11]

Detaillierte Systematiken der verschiedenen Drachenarten stellten die Forscher der Frühen Neuzeit auf: Conrad Gessner in seinem „Schlangenbuch“ von 1587, Athanasius Kircher im „Mundus Subterraneus“ von 1665 oder Ulisse Aldrovandi in dem Werk „Serpentum et Draconum historia“ von 1640. Bis weit in die Neuzeit blieben Drachen ein Teil der belebten Natur, für deren Existenz es auch scheinbar Beweise gab. Für frühe naturwissenschaftliche Sammlungen und Naturalienkabinette erwarben die Gelehrten Fundstücke aus fernen Ländern, die aus getrockneten Rochen, Krokodilen, Fledermäusen und Echsen zusammengestellt waren – im heutigen Sinne Fälschungen, im Verständnis der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur „Rekonstruktionen“, die die Entdeckung eines „echten“ Drachen lediglich vorwegnahmen. Noch Zedlers Universal-Lexikon meinte, der Drache sei:

„… eine ungeheure grosse Schlange, die sich in abgelegenen Wüsteneyen, Bergen und Stein-Klüfften aufzuhalten pfleget, und Menschen und Vieh grossen Schaden zufüget. Man findet ihrer vielerley Gestalten und Arten; denn etliche sind geflügelt, andere nicht; etliche haben zwey, andere vier Füsse, Kopff und Schwantz aber ist Schlangen-Art.“

– Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste[12]

Erst die modernen Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert verwarfen die meisten dieser Vorstellungen, es gab aber auch früh schon kritische Stimmen. Bereits Bernhard von Clairvaux lehnte es ab, an Drachen zu glauben, und Albertus Magnus hielt die Berichte über fliegende, feuerspeiende Wesen für Beobachtungen von Kometen. Die Alchemie verwendete den Drachen lediglich als Symbol: Ouroboros, der sich in den eigenen Schwanz beißt und allmählich selbst auffrisst, stand für die Prima materia, den Ausgangsstoff zur Herstellung des Steins der Weisen. Die moderne Zoologie schloss den Drachen seit Carl von Linné aus ihrer Systematik aus, doch außerhalb des streng wissenschaftlichen Diskurses blieb er weitaus hartnäckiger „real“ als viele andere mythologische Wesen. Die Jagd nach Saurier-Drachen (siehe unten) war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein ernsthaft betriebenes Geschäft.[13]


Der „Große Drache von der Insel Rhodus“ aus Athanasius Kirchers „Mundus Subterraneus“, 1665



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